Rede des Oberbürgermeisters der Stadt Aachen, Kurt Malangré

Rede des Oberbürgermeisters der Stadt Aachen, Kurt Malangré

Festliche Versammlung!
Vor drei Jahrzehnten, am 18. April 1951, wurde in Paris der von Jean Monnet inspirierte Vertrag zur Gründung der Montanunion, der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, unterzeichnet.

Nähe und Bedeutung dieses Jubiläumstages einerseits und die jetzige, aktuelle Lage der Europäischen Gemeinschaft andererseits legen es nahe, die wenigen Sätze der nun 30jährigen Präambel zu diesem Vertrag heute wörtlich zu zitieren.
Sie lautet: Die Unterzeichner "in Erwägung, daß der Weltfriede nur durch schöpferische, den drohenden Gefahren angemessene Anstrengungen gesichert werden kann, in der Überzeugung, daß der Beitrag, den ein organisiertes und lebendiges Europa für die Zivilisation leisten kann, zur Aufrechterhaltung friedlicher Beziehungen unerläßlich ist, in dem Bewußtsein, daß Europa nur durch konkrete Leistungen, die zunächst eine tatsächliche Verbundenheit schaffen, und durch die Errichtung gemeinsamer Grundlagen für die wirtschaftliche Entwicklung aufgebaut werden kann, in dem Bemühen, durch die Ausweitung ihrer Grundproduktionen zur Hebung des Lebensstandards und zum Fortschritt der Werke des Friedens beizutragen, entschlossen, an die Stelle der jahrhundertealten Rivalitäten einen Zusammenschluß ihrer wesentlichen Interessen zu setzen, durch die Errichtung einer wirtschaftlichen Gemeinschaft den ersten Grundstein für einen weitere und vertiefte Gemeinschaft unter Völkern zu legen, die lange Zeit durch blutige Auseinandersetzungen entzweit waren, und die institutionellen Grundlagen zu schaffen, die einem nunmehr allen gemeinsamen Schicksal die Richtung weisen können, haben beschlossen, eine Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl zu gründen."

Nach diesem Beschluß wurde dann gehandelt, und dieses Handeln ließ für unsere Völker das Wirklichkeit werden, was nach dem Plane Jean Monnets in der klaren Sprache der Präambel hoffnungsvolle Erwartung war, so daß der große Förderer dieser Montanunion, Robert Schuman, hier an dieser Stelle am 15. Mai 1958 sagen konnte:

"Ich denke an meinen Freund Jean Monnet, den Josua, der als erster die Trennungsmauern zwischen unseren Staaten und Nationen zu Fall brachte und der Idee einer europäischen Gemeinschaft technisch und konkret zum Durchbruch verholfen hat."

Und er selber, Jean Monnet, hatte bereits fünf Jahre vorher, am 17. Mai 1953, wiederum hier an diesem Platze gemahnt: "Unser Weg liegt klar vor uns. Um die erzielten Fortschritte auch in Zukunft zu sichern, muß ein europäisches Parlament und eine überstaatliche Behörde geschaffen werden. Für die Völker ist jetzt der Augenblick gekommen, die Führung des begonnenen Unternehmens dadurch zu übernehmen, daß sie selbst in allgemeiner Abstimmung ihre Vertreter für die Leitung der europäischen Angelegenheiten wählen."

Wir aber, verehrte Anwesende, haben die große Freude, hier nun heute, 28 Jahre später, diejenige unter uns zu sehen, die das erste, frei und von allen in der Europäischen Gemeinschaft zusammengeschlossenen Völkern Europas gewählte Parlament repräsentiert. Ihr gilt unser erster und herzlicher Gruß,
der Präsidentin des Europäischen Parlamentes, Frau Simone Veil.

Neben ihr grüßen wir die Karlspreisträger früherer Jahre:

Den Karlspreisträger 1951,
den damaligen Rektor des Europa-Kollegs, Herr Professor Dr. Hendrik Brugmans,
den Karlspreisträger 1969,
den damaligen Präsidenten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Herrn Minister Jean Rey,
den Karlspreisträger 1977,
den vormaligen Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland und jetzigen Präsidenten des Deutschen Rates der Europäischen Bewegung und der Europaunion, Herrn Walter Scheel.

Ich heiße willkommen die Herren Botschafter
der Niederlande,
Belgiens,
Irlands,
Luxemburgs,
Griechenlands,
Italiens,
Portugals,
Dänemarks,
Großbritanniens,
den Herrn Gesandten Frankreichs,
den Herrn Vertreter der Vereinigten Staaten von Nordamerika,

als ständige Vertreter bei der Europäischen Gemeinschaft die Herren Botschafter
in den Niederlanden,
Belgien,
Luxemburg
und bei der NATO.

Ich begrüße
die Herren Präsidenten des Niederländischen Parlaments, Herrn Professor Dr. Thurlings und der Kammer der Generalstaaten, Herrn Dr. Dolman,
den Präsidenten des Belgischen Parlamentes Herrn Joseph Michel,
den Präsidenten des Irischen Parlamentes, Herrn Faulkner.

Bestens willkommen sind uns
Die Vizepräsidenten des Europäischen Parlamentes,
die Herren Bundesminister a.D. Hans Katzer und Bruno Friedrich,
ersterer auch in Vertretung des Bundesvorsitzenden der CDU, Herrn Dr. Helmut Kohl,

die Herren Fraktionsvorsitzenden der Europäischen Volkspartei, der christlich-demokratischen Fraktion, Herr Dr. Egon Klepsch

und der Liberalen und Demokratischen Fraktion,
Herr Martin Bangemann,

sowie die Damen und Herren Abgeordneten des Europäischen Parlamentes und dessen Generalsekretär, Herr Dr. Hans-Joachim Opitz.

Unser Gruß gilt dem Präsidenten des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft, Jonkheer Mertens de Wilmars,

dem Präsidenten des Europäischen Rechnungshofes, Herrn Micheal Murphy,

dem Mitglied er Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Herrn Kommissar Andriessen

sowie dem Oberbefehlshaber der Vereinigten Streitkräfte Europa-Mitte, General Dr. Graf von Senger und Etterlin.

Unser Willkommen gilt
den anwesenden Mitgliedern des Deutschen Bundestages, unter ihnen in Vertretung von Herrn Herbert Wehner dem parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Herrn Ewen.

Für die Bundesregierung begrüße ich Herrn Wirtschaftsminister Dr. Graf Lambsdorff, Herrn Staatsminister Dr. von Dohnanyi und Herrn Staatssekretär Dr. Lautenschlager.

Ich heiße willkommen die anwesenden Abgeordneten des Landtages von Nordrhein-Westfalen, unter ihnen den Vorsitzenden der CDU des Rheinlandes, Herrn Dr. Bernhard Worms.

Wir freuen uns über die Anwesenheit der zahlreich erschienenen Mitglieder des Konsularischen Korps,

der Ehrenpräsidenten der Paneuropa-Union, Herrn Bundesminister a. D. Professor Dr. von Merkatz
und der Europaunion, Herrn Theo M. Loch,
der Präsidenten des Niederländischen- und des Luxemburgischen Rates der Europäischen Bewegung,
der Herren Dr. van Iersel und Lutz,
des Generalsekretärs des Deutschen Rates der Europäischen Bewegung und der Europaunion, Herrn Eickhorn,
des Vorsitzenden der Landschaftsversammlung Rheinland, Herrn Oberbürgermeister Kürten,
und des Geschäftsführenden Präsidialmitgliedes des Deutschen Städtetages, Herrn Dr. Weinberger.

Ihnen allen, die Sie sich heute hier versammelt haben, gilt unser herzlicher Gruß!

Verehrte Anwesende!

Auf der Eröffnungssitzung des Parlamentes erinnerte uns seine Alterspräsidentin, Louise Weiss, daran, daß Victor Hugo auf dem Friedenskongreß 1849 in Paris den Teilnehmern zurief: "Sie werden noch viele Streitfälle zu schlichten, Ansprüche zu erörtern, Proteste zu behandeln haben; aber wissen Sie, womit Sie die Soldaten, Kanonen, Lanzen, Spieße und Schwerter ersetzen werden? Mit einem Holzkästchen, das Sie Wahlurne nennen werden."

Drei europäische Bruderkriege mußten seitdem noch Europa in Blut und Elend stürzen, ehe die Trennungsmauern stürzten und den Weg zur Gemeinschaft freigaben. 130 Jahre mußten nach Victor Hugos Wort vergehen, ehe Europa 1979 dieses Holzkästchen, die Wahlurne, erhielt.

Seitdem ist der Friede in Europa gesichert, blieb jedoch der Friede für Europa gefährdet. Mit dieser Wahlurne von 1979 schien eine europäische Demokratie zu werden, aber es blieb bislang eine Scheindemokratie.

Wie heißt es doch in der Präambel zum Montanvertrag von 1951, "in der Erwägung, daß der Weltfriede nur durch schöpferische, den drohenden Gefahren angemessene Anstrengungen gesichert werden kann".

Wo denn sind jetzt diese schöpferischen, angemessenen Anstrengungen? Sind sie etwa zu finden im Schlußkommuniqué des Europäischen Rates von Maastricht vom 24. März 1981, wenn es dort u. a. heißt: "Der Europäische Rat hat die Fischereiprobleme geprüft. Er gab seiner Besorgnis darüber Ausdruck, daß keine Einigung erzielt wurde, da sich dies auf die europäische Integration und die im Fischereisektor Beschäftigten auswirkt." Und weiter: "Der Europäische Rat begrüßt die bedeutenden Fortschritte, die in letzter Zeit hinsichtlich der Einführung eines europäischen Passes erzielt wurden" und schließlich:
"Die Staats- und Regierungschefs haben einstimmig beschlossen, den Status quo bezüglich der vorläufigen Arbeitsorte der Europäischen Organe zu bestätigen."
Wird nicht im Vergleich des Textes der Präambel zum Montanvertrag und den durch ihn geschaffenen Fortschritten zum Text des Kommuniqués der Tagung der Staats- und Regierungschefs in Maastricht und den hiernach ausbleibenden Fortschritten der ganze Unterschied der Situationen deutlich? Sollte dieser Europäische Rat nicht wieder zu einem Gipfel werden, der in gegenseitigem Vertrauen schöpferische und angemessene Anstrengungen macht, die eines lebendigen Europa würdig sind, die der gefahrvollen, krisenhaften Situation antworten, sollte dieser Rat nicht wieder zu Weichenstellungen, zur Führung in der Lage sein oder nicht wenigstens nur in wirklich lebenswichtigen Fragen von seiner selbstgewählten Fessel der Einstimmigkeit Gebrauch machen, dann hat er sich selbst überlebt, dann war das Kommuniqué von Maastricht sein Schwanengesang, der allenfalls in weiteren Sitzungen mehrstrophig werden kann.
Und ist es nicht mehr als eine Kuriosität, daß wir in der Europäischen Gemeinschaft die Forderung Montesquieus nach der Dreiteilung der Gewalten nach über 350 Jahren noch nicht verwirklicht sehen?
Wie soll es denn einzuordnen sein, daß sich in der Gemeinschaft demokratischer Staaten die Ministerräte als Exekutivorgane gleichzeitig zum weitgehend unkontrollierten Gesetzgeber herausgebildet haben? Von 1978 bis 1980 wurden auf diese Weise ca. 1200 Gesetzesbestimmungen erlassen, die unmittelbar auch in den einzelnen Ländern nationales Recht wurden. Der Deutsche Bundestag zum Beispiel hat hiervon kaum 10 Prozent ordnungsgemäß behandeln können, so daß mithin 90 Prozent dieser gesetzlichen Bestimmungen ohne Zutun und ohne Kontrolle eines hierzu berufenen Gesetzgebers in Kraft traten, da man es dem Europäischen Parlament bislang verwehrte, diese Lücke zu füllen und auf europäischer Ebene das auszuüben, womit die nationalen Parlamente nicht mehr befaßt sind.
Dieser Mißstand veranlaßt Walter Hallstein in seinem Werk über die Europäische Gemeinschaft zu schreiben: "Der Bürger hat ein Recht darauf, eine Stellung zu erlangen, die in demokratischen Gemeinwesen vergleichbaren Gewichts eine Selbstverständlichkeit ist. Das ist der Sinn der direkten Wahlen. Diese Wahlen haben nicht die Funktion, das Parlament mit Abgeordneten zu versehen, die gescheiter, energischer, fleißiger und phantasievoller sind als die bisherigen. Niemand ist so naiv, das zu meinen. Es geht vielmehr darum, ein Demokratiedefizit ohnegleichen abzubauen. Wir wollen ein Europa der Bürger, ein europäisches Europa."
Das alles, verehrte Damen und Herren, ist keine intellektuelle Spielerei, kein Haschen nach Kompetenzen, Streben nach Macht, sondern das Verlangen nach der Freiheit begründenden Funkton der Gewaltenteilung, nach der Erfüllung dessen, was Jean Monnet hier an diesem Pult vor 28 Jahren mit den weitsichtigen Worten verlangte: "Für die Völker ist jetzt der Augenblick gekommen, die Führung des begonnenen Unternehmens zu übernehmen." Es ist die Frage nach der eigenen Werteinschätzung der Demokratien und der Demokraten, die Qual der ohne den demokratischen Impuls fehlenden Dynamik.
Und eben dies nun ist es auch, was das jetzige, erste gewählte Parlament Europas um seine Rechte ringen läßt, was seine Präsidentin zur äußersten Anspannung ihrer Kräfte bewegt, was sie in ihrer ganzen eigenständigen Stärke und Zielstrebigkeit in diesem Amte rastlos wirken läßt, in der Kraft einer Persönlichkeit, die nicht nur mit besonderen Gaben ausgestattet ist, sondern wohl auch nur durch die äußere und innere Überwindung großer Erschütterungen ihre Prägung erhielt.

Im März 1944 wurde die 16 Jahre junge Architektentochter in Nizza aus ihrem wohlbehüteten Dasein herausgerissen und mit ihrer Familie verhaftet. Sie wurde nach Auschwitz verschleppt, im darauffolgenden Winter in jenen furchtbaren Todesmarsch nach Bergen-Belsen gehetzt und erst im Mai 1945 von britischen Soldaten befreit, nach der Ermordung ihrer Eltern und ihres älteren Bruders und selbst abgemagert zum Skelett. 1946 heiratete sie den hohen, politisch engagierten Finanzbeamten Antoine Veil, der heute zu unserer großen Freude ebenfalls unter uns weilt. Nach einem hervorragend abgeschlossenen Studium der Rechts- und Politikwissenschaften in Paris trat sie 1957 in den Spitzenkreis der Pariser Justizverwaltung ein und folgte zwölf Jahre später, 1969, dem Ruf von Justizminister René Pleven in dessen persönlichen Beraterstab. Nach weiteren fünf Jahren wurde sie zum Gesundheitsminister ernannt und erhielt kurze Zeit später auch noch das Sozialministerium übertragen.
Als Spitzenkandidatin ihrer Partei ging sie in den Wahlkampf zur ersten Europawahl, erzielte glänzende Ergebnisse, zog als Abgeordnete in das Parlament ein und wurde am 17. Juli 1979 zu dessen Präsidentin gewählt.
Verehrte Anwesende, darf ich an die eben zitierten Worte Victor Hugos erinnern: "Wissen Sie, womit Sie die Soldaten, Kanonen, Lanzen, Spieße und Schwerter ersetzen werden? Mit einem Holzkästchen, das Sie Wahlurne nennen werden."
Und scheint es nicht so, daß im Lebenslauf unserer heutigen Preisträgerin beides erlitten und geleistet wurde? Erlitten die Perversion europäischen Geistes in einer unmenschlichen Diktatur und in brutalstem Machtmißbrauch und geleistet trotz dieses Erlebens oder gerade deswegen die Überwindung all des Furchtbaren in der freiheitlichsten und menschenwürdigsten Staatsform, die wir kenne, bis zur Präsidentschaft des höchsten Amtes der Europäischen Demokratie.

Dieses aus verschiedenen Gründen schwierige Amt übt sie so überzeugend aus, wie es für uns alle wohl am gültigsten der Präsident der Bundesrepublik Deutschland, Herr Professor Karl Carstens, in einem Schreiben zum Ausdruck bringt, das zu verlesen er mich gebeten hat und das lautet: "Frau Präsident, Sehr verehrte Frau Veil, zur Verleihung des Internationalen Karlspreises der Stadt Aachen übermittle ich Ihnen meine herzlichen Glückwünsche. Zum zweiten Mal hintereinander wird diese hohe Auszeichnung der Kaiserstadt Aachen einem Präsidenten des Europäischen Parlaments verliehen. Darin kommt unsere Hoffnung zum Ausdruck, daß von diesem, nunmehr direkt gewählten Parlament neue starke Impulse zur Einigung des freien Europa ausgehen mögen. Ich sehe in der Ihnen zuteil werdenden Ehrung Dank und Anerkennung für Ihr engagiertes Wirken auf dieses Ziel hin und zugleich eine Ermutigung für Sie, auf Ihrem Wege mit Entschiedenheit weiterzugehen.

Mit freundlichen Grüßen

Karl Carstens"

Wie sehr sie sich ihrer und unserer Verantwortung vor der Geschichte, vor der Gegenwart und Zukunft unserer Völker, unserer 280 Millionen Mitbürger einzeln und persönlich bewußt ist, hat Simone Veil gleich bei ihrer Eröffnungsrede zum Ausdruck gebracht und dies so formuliert: "Jeder von uns ist sich - unabhängig von seiner politischen Zugehörigkeit - der Tatsache bewußt, daß dieses historische Ereignis der Direktwahl des Europäischen Parlaments in einem entscheidenden Augenblick der Geschichte der Völker der Gemeinschaft stattfindet. Alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaft sehen sich nämlich heute einer dreifachen Herausforderung gegenüber, der Herausforderung des Friedens, der Freiheit und des Wohlstands, und, wie es scheint, ist es nur im europäischen Rahmen möglich, dieser Herausforderung zu begegnen. Um in ihr bestehen zu können, müssen wir dem Kontinent drei Zielrichtungen geben: das Europa der Solidarität, das Europa der Unabhängigkeit und das Europa der Zusammenarbeit."

Immer wieder und zunehmend drängender betont sie, daß es für Europa nur diesen Weg zur Überwindung der schwerer werdenden Probleme und der Sicherung des Friedens gibt und bringt in dieses Anliegen die Arbeit und das Gewicht des Parlamentes ein, dessen Kontakte nach außen sie auf hervorragende Weise festigte und das unter ihrer überzeugenden Repräsentanz ein hohes Maß an Ansehen und Einfluß außerhalb der Gemeinschaft erringen konnte. Unter ihrer Präsidentschaft wurde das siebensprachige Gremium der 434 Abgeordneten aus 10 Ländern mit so verschiedenen parlamentarischen Traditionen und Mentalitäten unter schwierigen äußeren Bedingungen ein arbeitendes Parlament, das mit aller Entschlossenheit auf die ihm zukommenden Funktionen drängt.
Mit berechtigtem Selbstbewußtsein tritt sie gegenüber den anderen Organen der Gemeinschaft für die Stellung des Parlamentes ein und scheute sich nicht, den Haushalt 1981 der Europäischen Gemeinschaft festzustellen und damit im Konflikt mit nationalen Regierungen in Kraft zu setzen, von denen die Regierung der Bundesrepublik Deutschland sogar inzwischen Klage gegen die Rechtsverbindlichkeit dieser Inkraftsetzung erhoben hat. Mit Frau Simone Veil dürfen wir unter den bisher 24 Karlspreisträgern nach Jean Monnet, Robert Schuman, François Seydoux de Clausonne zum vierten Male dem Einsatz Frankreichs für Europa danken und zum ersten Male und auch darum mit besonderer Freude eine Frau aus diesem Anlaß bei uns sehen, die auch in ihrem hohen Amt, bei aller Härte des politischen Handelns, bei aller geistigen Emanzipation gleichzeitig Mutter dreier Kinder und voll und ganz auch Frau geblieben ist, die wohl gerade auch deshalb unserem Europa wesentliches zu geben vermag und dies rückhaltlos zu tun bereit ist, gemäß ihren eigenen Worten, mit denen sie versicherte: "Was mich persönlich betrifft, so werde ich meine ganze Zeit und all meine Kräfte dieser Aufgabe widmen."
Daher hat das Direktorium der Gesellschaft für die Verleihung des Internationalen Karlspreises der Stadt Aachen einmütig beschlossen, Ihnen, Frau Präsidentin Veil, den Karlspreis für das Jahr 1981 zu verleihen.