Polen: Multikulturelle VIPs beseitigen Vorurteile

Polen: Multikulturelle VIPs beseitigen Vorurteile

Hauptanliegen des Projekts war es, die Verständigung zwischen den Menschen unterschiedlicher Nationalitäten und Religionen zu fördern. Durch den direkten Kontakt und die Zusammenarbeit zwischen jungen Leuten aus unterschiedlichen Ländern Europas, aus Russland und aus Israel entwickelte sich in uns und anderen Menschen eine Haltung der Offenheit und der Akzeptanz gegenüber allen menschlichen Wesen, gleich welcher Herkunft, Nationalität und Religion sowie unabhängig von ihren körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Für uns war es wichtig, bestimmte Klischees und Vorurteile auszuräumen, die in der Mentalität und in der Kultur vieler Nationalitäten verwurzelt und häufig ungerecht und pauschalisierend sind, und die durch bestimmtes Verhalten mitunter zu Diskriminierungen führen. Ein weiteres wichtiges Ziel bestand darin, ein allgemeines Gefühl der Europäischen Identität und der Integration zwischen den Völkern der Europäischen Gemeinschaft und den Völkern außerhalb der Europäischen Union zu entwickeln. Wir suchten nach Werten, die nicht nur der moralischen Ordnung und dem Recht Europas zugrunde liegen, sondern auch in anderen Staaten, einschließlich Israel und Russland, Gültigkeit besitzen. Ein wichtiger Bestandteil unserer breit gefächerten Aktivitäten war die Entwicklung bewährter Verfahren für Jugendliche, die bei der Schaffung konstruktiver Beziehungen zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen und Nationalitäten auf europäischer und internationaler Ebene genutzt werden können. VIII. Zusammenfassung. Unser Projekt gründete sich auf den Grundsätzen der multikulturellen Bildung. Durch ihre Aktionen bekräftigten alle Teilnehmer die Bedeutung des Kürzels VIP. Wir wählten die folgende Definition: V-very, I-interkulturell, P - Person. Als VIP-Schirmherren für unser Projekt konnten wir Lech Wa?esa, Vater der SolidarnoÅ›?-Bewegung, W?adys?aw Bartoszewski, Überlebender von Auschwitz und Sprecher des Polnisch-Jüdischen Dialogs sowie den verstorbenen Teilnehmer des Runden Tisches, Jacek KuroÅ„, gewinnen. Im Rahmen des Projektes trafen wir uns mit seiner Ehefrau Danuta KuroÅ„, die uns über die Aktivitäten ihres Mannes sowohl vor 1989 als auch später, im bereits unabhängigen Polen berichtete. IX. Aktivitäten. Das Projekt „Multikulturelle VIPs beseitigen Vorurteile“ setzte sich aus vier wesentlichen Aktivitäten zusammen, die sich von Anfang an aus der gemeinsamen Zusammenarbeit junger Leute aus den EU-Mitgliedstaaten, aus Russland und Israel ergaben. Keiner der Teilnehmer erhielt Geld für seine Arbeit, und alle beteiligten sich auf freiwilliger Basis. 1. VIPs beim Workshops „Europa in Hamburg” im April 2010. Das Hauptziel des Projekts bestand darin, den Dialog und die Verständigung zwischen Jugendlichen auf europäischer und internationaler Ebene zu fördern. Gemeinsam mit Vertretern der Hamburger Jugend Akademie bereiteten wir die Aktion mit dem Titel „JANA FOTO + FRAGE“ vor. Jugendliche aus Deutschland, Polen und Russland waren als Reporter unterwegs, die in den Hamburger Stadtteilzentren Menschen ansprachen und ihnen eine Frage stellten: „Was ist Ihre allerwichtigste Frage?“ Anschließend machten die Teilnehmer Fotos von den befragten Personen. Nach Abschluss der Aktion wurden diese Bilder auf einem großen Bildschirm gezeigt. Dieses Projekt wurde im Internet fortgesetzt, und dort kann man jederzeit seine eigene Frage stellen und sein eigenes Bild einfügen. Die Menschen fragten nach der Wahrheit, sie wollen einen Dialog zwischen den Religionen sowie Frieden und Gerechtigkeit in der Welt von heute. Bei zahlreichen interessanten Gesprächen mit vielen Menschen wurde deutlich, dass solche Werte wie Liebe, Freundschaft und Toleranz im täglichen Leben eine wichtige Rolle spielen. Als Mitorganisator der Treffen und Workshops in Hamburg trat die Kirche Sankt Katharinen auf, in der ein Konzert der Gruppe Vallesanta Corde stattfand. Diese Gruppe besitzt ein multikulturelles Repertoire, das Musik vom Balkan und von Klezmer mit Tango- und Swingelementen verbindet. Darüber hinaus spielten sie sehr gut auf der „Russischen Party“, die von der in Hamburg lebenden russischen Gemeinschaft organisiert wurde. Der wichtigste Teil unseres Treffens in Deutschland war eine ökumenische Messe, bei der Protestanten, orthodoxe Christen und Katholiken miteinander beteten. Das Treffen in Hamburg diente gleichzeitig als Vorbereitung für die nächste Aktion von Europäern und Russen, nämlich der gemeinsame Besuch des ökumenischen Festivals in Litauen. 2. Der multikulturelle Segelturn auf der Ostsee im Juli 2010. Die Gruppe von 20 Jugendlichen aus Deutschland, Polen, Litauen und Russland verbrachte 10 Tage zusammen. Während einer Kreuzfahrt auf der Ostsee boten sich viele Gelegenheiten, miteinander ins Gespräch zu kommen und einander kennenzulernen. Darüber hinaus konnten wir ein gemeinsames Team bilden und vorhandene Schranken, Klischees und Vorurteile überwinden. Die Kreuzfahrt wurde mit zwei historischen Segelschiffen, der „Zuversicht“ und der „Carola“, durchgeführt und führte von Travemünde in Deutschland über Bornholm und Danzig bis zum Hafen Klaipeda in Litauen.An Bord lernten wir, mit dem Wind zu segeln und miteinander zu leben. Durch das gemeinsame Segeln, die Nachtwache, das Aufrichten des Segelmastes, die abendliche Meditation und die gemeinsame Küchenarbeit wuchsen wir mit jedem Segeltag mehr und mehr zusammen. Trotz bestehender Unterschiede lernten wir, miteinander zu arbeiten und viel Verantwortung zu übernehmen. Die Kreuzfahrt war der Beginn unserer Reise zum ökumenischen Treffen, das Ende Juli 2010 in Klaipeda in Litauen stattfand. 3. Das multikulturelle Treffen „Welcome Home“ im Juli 2010 in Litauen. Ziel des Treffens war es, das Wissen über andere christliche Religionen zu vertiefen, die Bereitschaft zum Dialog sowie eine Haltung der Offenheit und Toleranz zu entwickeln. Das Treffen bot darüber hinaus eine ausgezeichnete Gelegenheit, Kultur und Brauchtum von Menschen anderer Länder, insbesondere von unseren Gastgebern aus Litauen, kennenzulernen. Durch die Teilnahme an verschiedenen Workshops, die von den anderen Leitern von Jugendgruppen aus unterschiedlichen Ländern organisiert wurden, lernten die Jugendlichen die typischen Merkmale des religiösen Lebens dreier christlicher Kirchen, der katholischen, protestantischen und christlich orthodoxen Kirche kennen. 4. Der multikulturelle Dialog mit Israel, August und Dezember 2010. Wir wollten nicht nur die Verständigung zwischen den Jugendlichen auf dem europäischen Kontinent fördern, sondern nach den Aktivitäten im Rahmen der Partnerschaft EU-Russland auch noch weitere Länder einbinden. Daher beschlossen wir, ein Projekt mit jungen Israelis zu starten. Wir verbrachten zwei Wochen miteinander, eine Woche in Polen (Ende August) und eine Woche in Israel (Anfang Dezember). Aus kultureller und religiöser Sicht bot die Gruppe aus Israel eine sehr interessante Mischung. Neben Juden waren Drusen vertreten, die israelische Staatsbürger sind, jedoch eine andere Religion, nämlich eine Kombination aus Christentum und Islam, haben. Sie sprechen in erster Linie Arabisch und nicht Hebräisch. Es sind sehr einfache, offene und freundliche Menschen. Da sie sehr bescheiden leben, war die Teilnahme an diesem Projekt für sie eine große Erfahrung und ein interessantes Abenteuer, ohne viel Geld dafür ausgeben zu müssen. Zu den Israelis gehörte ein Mädchen, dessen Großeltern aus Georgien stammen, und es war auch ein Mädchen dabei, dessen Eltern aus Indien nach Israel kamen. Darüber hinaus nahm eine Falaschin, eine äthiopische Jüdin teil. Das zentrale Motiv des polnischen Beitrags war ein Tisch, während der israelische Projektbeitrag unter dem Zeichen der Menora stand. Die wahre Bedeutung eines Tisches wurde mit jedem Projekttag immer besser verständlich. Alle Teilnehmer nahmen ihn im wahrsten Sinne des Wortes als einen wichtigen Gegenstand in jedem Haus wahr, um den sich noch bis vor kurzem drei Generationen einer Familie (Großeltern, Eltern und Kinder) versammelten, an dem die Mahlzeiten zubereitet und anschließend gemeinsam gegessen wurden. Somit ist der Tisch ein Ort für Gespräche, für viele Zusammenkünfte und für den Gedankenaustausch. Von diesem Tisch aus gingen wir auf eine Art von „Reise“ durch die Jahrhunderte der europäischen Geschichte, auch unter Berücksichtigung der neueren polnischen Entwicklung. Während des gesamten Projekts ließ uns der Gedanke n den Runden Tisch von 1989 nicht los. Wir besichtigten die Ausstellung „Wege zur Freiheit“ in Danzig, und wir waren auch am historischen Danziger Werfttor II sowie am Denkmal der gefallenen Werftarbeiter. Wir erkannten die Bedeutung des Tisches in den drei kulturell-religiösen Traditionen, dem Christentum (Katholizismus, Protestantismus, Orthodoxie), dem Judentum und dem Islam. In Polen bauten wir bei gemeinsamen Workshops einen riesigen Tisch, an dem alle Projektteilnehmer Platz fanden. In Israel nahmen wir an einem Tisch Platz. Unser Besuch im Dezember in Israel fiel in die fröhlichen jüdischen Chanukka-Feiertage. Wir bauten eine Chanukkia, einen speziellen Leuchter mit neun Kerzen, den wir an diesem Feiertag auf den Tisch stellten. Einige von uns bauten die Menora (einen siebenarmigen Leuchter), der neben dem Davidstern das zweite Symbol des israelischen Staates darstellt. Während unserer gemeinsamen Mahlzeit am Sabbat-Tisch zündete jeder Teilnehmer eine Kerze an. Die Menora nahmen wir mit nach Polen und stellten sie auf den polnisch-israelischen Tisch, der während des ersten Projektteils gebaut worden war. Das multikulturelle Leben in Polen und Israel. Ein ausgezeichnetes Beispiel für den multikulturellen Charakter des polnischen Projektteils war Murowana GoÅ›lina, wo vor dem Krieg drei Nationen – Juden, Deutsche und Polen – friedlich zusammenlebten. Der zweite wichtige Ort war Podlasie mit zahlreichen Zeugen tatarischer, orthodoxer und jüdischer Kultur. Wir besuchten Bia?ystok, Tykocin, SupraÅ›l, Kruszyniany und Teremiski. In Bia?ystok reisten wir auf dem Weg des Jüdischen Erbes. Dort trafen wir uns mit Angehörigen der tschetschenischen Minderheit, die uns ihre Tänze zeigten und uns anschließend verschiedene selbstgemachte Süßspeisen anboten. Auf dem Weg nach Tykocin sahen wir uns den Film „Po-lin. Spuren der Erinnerung“ von Jolanta Dylewska an. Wir zeigten unseren Freunden aus Israel die bis zum 2. Weltkrieg vorhandene wunderbare jüdische Welt, die durch den Holocaust für immer ausgelöscht wurde. In Tykocin zeigten uns unsere israelischen Freunde die Große Synagoge und erklärten uns die Bedeutung wichtiger liturgischer Gegenstände des Judentums. In SupraÅ›l besichtigten wir wiederum das Kloster Mariä Verkündigung. Dort erklärte uns ein Führer die symbolische Bedeutung der Ikonen in der orthodoxen Kirche. Kruszyniany bot unseren Gästen ein anderes Gesicht des Islam. Dort liegt das kleine Dorf Podlasie, wo noch polnische Tataren leben. Dieser Besuch zeigte uns die konkrete Dimension des interkulturellen Dialogs. Die Tataren besitzen dort eine eigene hölzerne Moschee und einen Friedhof. Wir besuchten diese Orte und trafen uns mit den Vertretern der Gemeinde. In der tatarischen Jurte verkosteten wir am gemeinsamen Tisch viele tatarische Gerichte. Abschließend besuchten wird den Nationalpark Bialowieża, wo wir gemeinsam die Spuren von Bisons verfolgten und die Natur bewunderten. In der israelischen Kultur ist Jerusalem die Stadt des Friedens, wo hauptsächlich im multikulturellen Viertel der Stadt die drei großen monotheistischen Religionen aufeinandertreffen. Dort schlenderten wir durch die Straßen der Altstadt, um die Klagemauer, die Grabeskirche und den Felsendom als die wichtigsten Orte des Judentums, des Christentums bzw. des Islam zu entdecken und zu erleben. Im arabischen Teil Jerusalems aßen wir Pita mit Falafel, vegetarischen Klößchen aus Kichererbsen mit reichlich Koriander. In Tel Aviv wandelten wir auf den Spuren der Bauhaus-Architektur. Dieser Architekturstil entwickelte sich gegen Ende des neunzehnten und zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland und zeugt von den zahlreichen multikulturellen Tendenzen einer modernen Stadt. In Haifa, wo das religiöse Zentrum im Bauhausstil erbaut wurde, besichtigten wir den Tempel und die ihn umgebenden Gärten. Auch ein Besuch in Galiläa war sehr wichtig für uns und für alle Christen. Unter anderem besichtigten wir Nazareth, wo nach dem Neuen Testament der Engel Gabriel Maria verkündete, dass sie die Gottesmutter werden würde. Wir sahen die Verkündigungskirche und den Ort, wo der Überlieferung nach Marias Ehemann Josef seine eigene Werkstatt hatte. Ein Besuch des Dorfes Druze-Pkein in den Golanhöhen war Zeugnis des multikulturellen Nebeneinanders in Israel. Drusen sind Bürger des Staates Israel, sind jedoch nicht jüdischen Glaubens. Ihre Religion ist eine eigenartige Kombination aus dem Islam und dem Christentum mit Elementen des Judentums und des Gnostizismus. Alaa, einer der drusischen Projektteilnehmer, lud uns in sein Haus ein, wo wir am gemeinsamen Tisch von Drusen, Christen und Juden über unsere Traditionen und Bräuche sprachen. Auf dem Basar in Akko erlebten wir eine bunte Mischung aus den unterschiedlichsten Produkten, Gemüsearten, Früchten, Gewürzen und Gerüchen. Zudem fand ein großes Stadtfest statt, wodurch wir die Möglichkeit hatten, das christliche Haus der Araber zu besuchen, wo wir ihre süßen Köstlichkeiten probierten. Fotos und Berichte zu den Aktivitäten in Israel sind unter folgendem Blog zu finden: multiculturalvips.wordpress.com. Wie soll es weitergehen? Wir möchten die Zusammenarbeit mit unseren ausländischen Partnern sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene, insbesondere mit Russland und Israel, gern fortsetzen. Wir sind ebenfalls auf eine Gruppe junger Georgier gestoßen, die bei der Entwicklung gemeinsamer Projekte mitarbeiten möchten. Wir haben noch weitere Ideen für kreative Aktivitäten, um das allgemeine Verständnis der europäischen Identität und die Zusammenarbeit mit anderen Ländern zu vertiefen. Dank des gesellschaftlichen Engagements der Jugendlichen und mit der finanziellen Unterstützung des Büros des Ministerpräsidenten und des Bildungsministeriums werden wir sie alle umsetzen.



(Der vorstehende Text gibt die von den Projektträgern selbst erstellte Zusammenfassung ihres Wettbewerbsbeitrags zum Europäischen Jugendkarlspreis 2011 wieder.)