Laudatio des Präsidenten des Europäischen Parlaments Martin Schulz

Laudatio des Präsidenten des Europäischen Parlaments Martin Schulz

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Philipp,
sehr geehrter Herr Dr. Linden,
sehr geehrte Frau Präsidentin Grybauskaitė,
sehr geehrte Karlspreisträger,
liebe Gewinner des Jugendkarlspreises,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin sehr geehrt und erfreut, heute an diesem ehrwürdigen Ort die Laudatio auf eine außergewöhnliche Europäerin und herausragende Politikerin halten zu dürfen: Die Präsidentin der Republik Litauen, Frau Dr. Dalia Grybauskaitė.

Der Karlspreis ist eine ganz besondere Auszeichnung. Ein hoch renommierter Preis, vor allem aber ein Preis der Bürgerinnen und Bürger von Aachen. 1949 waren es Aachener Geschäftsleute und Intellektuelle, die den Karlspreis ins Leben riefen, um „Europa als Friedenswerk“ zu fördern. Fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, damals war Europa noch kriegsverheert - die Städte verwüstet, die Häuser zerstört, die Familien zerrissen, die Wunden noch lange nicht verheilt - damals war es sehr mutig und weitsichtig von „Europa als Friedenswerk“ zu sprechen.

Durch diesen Preis leisteten Aachener Bürger einen wichtigen Beitrag zur europäischen Einigung. Das Dreieck Aachen-Maastricht-Lüttich, die Region, die auch meine Heimat ist, ist ein europäischer Mikrokosmos gewesen, auf den wir stolz sein können. So stolz, wie die Stadt Aachen auf diesen Preis sein kann.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Präsidentin Grybauskaitė hat erklärt, und diese Bescheidenheit ehrt sie, dass man Auszeichnungen nie nur für sich selbst annimmt, sondern immer auch für andere. Deshalb bin ich mir sicher, sie wird mir zustimmen, wenn ich sage, dass wir am heutigen Tag mit diesem Preis nicht nur eine Ausnahmepolitikerin ehren, eine Frau, die ihrem Volk dient und sich um Europa verdient gemacht hat. Sondern dass wir mit diesem Preis, den die Bürgerinnen und Bürger von Aachen einst stifteten, auch gleichzeitig die Bürgerinnen und Bürger von Litauen ehren.

Ein Volk, das unermessliches Leid in seiner Geschichte erlitt, seine Selbstbestimmung und seinen rechtmäßigen Platz in der europäischen Familie erkämpfen musste.

Ein Volk, das erhobenen Hauptes unter vielen Entbehrungen eine Wirtschaftskrise bewältigt hat.

Ein Volk, das in seinem unerschütterlichen Vertrauen in die Europäische Union und in seinem unverbrüchlichen Bekenntnis zu einem solidarischen Europa uns allen ein Beispiel ist.

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Karlspreis, ganz besonders am heutigen 9. Mai, dem Europatag, schenkt uns die Gelegenheit, einmal innezuhalten und uns vor Augen zu führen, was wir Europäerinnen und Europäer in den vergangenen sechs Jahrzehnten erreicht haben:

Auf diesem Kontinent gelang Einzigartiges in der Menschheitsgeschichte: Die Idee Europa wurde Realität. Aus Feinden wurden Freunde, Trennendes überwunden und Grenzen geöffnet, eine zerstörte Region entwickelte sich zum größten und reichsten Binnenmarkt der Welt, Diktaturen wandelten sich zu Demokratien und Europa erlebt die längste Friedensperiode in seiner Geschichte. Doch Erfüllung fand die europäische Einigung erst, als die Menschen nach Freiheit strebend den Eisernen Vorhang nieder rissen und die zentral- und osteuropäischen Staaten endlich der Europäischen Union beitreten konnten.

Vor zehn Jahren, am 16. April 2003, unterzeichnete Litauen zusammen mit neun weiteren Kandidaten den Beitrittsvertrag zur EU. Damit wurde Europa nicht erweitert, sondern die künstliche Teilung unseres Kontinents überwunden. Die neuen Mitglieder wurden nicht Europäer – sie sind schon immer Europäer gewesen. Aber diese späte Wiedervereinigung Europas brachte endlich allen Europäern die Chance auf Frieden und Freiheit.

Am 1. Mai 2004, dem Tag an dem die Republik Litauen Mitglied der Europäischen Union wurde, an diesem Tag trat eine bemerkenswerte Frau ihren Dienst in Brüssel an: Als erste litauische Kommissarin zog Dalia Grybauskaitė ins Berlaymont-Gebäude ein. Zunächst verantwortlich für Bildung und Kultur übernahm sie bald das Ressort Haushalt und Finanzen und erwarb sich schnell einen hervorragenden Ruf:

- Als Frau des offenen Wortes – wer sie kennt, wird mir zustimmen: Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, sondern nennt die Dinge beim Namen.

- Als Frau mit einer niedrigen Toleranzschwelle für Bürokratie – in der Kommission erzählte man sich ehrfürchtig, die Kommissarin sei stolze Besitzerin eines schwarzen Gürtels in Karate.

- Als Frau, die hart in der Sache verhandelt – und etwa bei den Haushaltsverhandlungen auch nicht davor zurückschreckte, sich mit den großen Mitgliedstaaten anzulegen - aber immer faire Kompromisse anstrebt.

Für Dalia Grybauskaitė gilt wahrlich: „Eine Frau, ein Wort“. Wenn Frau Grybauskaitė etwas verspricht, dann kann man sich darauf verlassen.

Mit Ihnen, Frau Präsidentin, verbinde ich deshalb vor allem drei Eigenschaften: Energie, Effizienz und Verlässlichkeit. Diese Eigenschaften, zusammen mit ihrem Expertenwissen als ehemalige litauische Finanzministerin und studierte Ökonomin, haben der damaligen Newcomerin in Brüssel zu großen Erfolgen bei den Verhandlungen über den letzten EU-Finanzrahmen verholfen:

- Sie hat den EU-Haushalt reformiert, ihn stärker auf Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet, Forschung und Entwicklung gefördert und Hilfsfonds für strukturschwache Regionen geschaffen.

- Sie hat hartnäckig und effizient für ein faires Ergebnis gekämpft, mit dem alle Seiten leben konnten.

- Sie hat in der Gipfelnacht mit ihrem Team die Zahlen errechnet, die eine Einigung über den Haushalt 2007-2013 erst möglich machte – ich und so manch anderer vermissen eine solche Energie gepaart mit Kompromissfähigkeit in den aktuellen zähen und langwierigen Haushaltsverhandlungen.

Denn, meine Damen und Herren, die Frau, die nach nur einem Jahr im Amt bereits als „Kommissarin des Jahres“ geehrt wurde, entschied sich 2009 dem Ruf ihres Landes zu folgen: Sie kehrte von Brüssel nach Vilnius zurück, um Litauen in einer dramatischen Wirtschaftskrise beizustehen.

Mit diesem Schritt steht Frau Grybauskaitė beispielhaft für die aktuell handelnde Politikergeneration in den baltischen Ländern: Erfolgreich in der nationalen Politik wechseln sie nach Brüssel. Das ist aber keinesfalls der Endpunkt ihrer politischen Karriere. Im Gegenteil, mit der europäischen Erfahrung im Gepäck kehren sie zu höchsten Ämtern in ihren Heimatländern zurück: Neben Frau Grybauskaitė gilt das für ihren Kollegen Tomas Hendrik Ilves, ein ehemaliger Europaabgeordneter, der heute als Staatspräsident seinem Heimatland Estland dient, und auch für Valdis Dombrovskis, ebenfalls ein ehemaliger Europaabgeordneter und heute Ministerpräsident von Lettland.

Dass die Menschen im Baltikum gerade Europapolitiker in höchste nationale Ämter wählen, zeigt eindrucksvoll, wie groß die Europabegeisterung und das Vertrauen in die EU in den baltischen Ländern sind.

Mit dem Traumergebnis von 68 Prozent wurde die parteilose Kandidatin Grybauskaitė 2009 dann zur Staatspräsidentin gewählt. Ihr Pflichtbewusstsein, ihr Patriotismus, hatten sie zur Rückkehr in die nationale Politik bewogen. Sie wollte ihren Landsleuten in einer schweren Stunde zur Seite stehen. „Ich kann nicht in der Fremde bleiben, wenn es daheim drunter und drüber geht“, so erklärte sie ihre Kandidatur.

Und es waren wirklich schwierige Zeiten für Litauen: Im Gefolge der globalen Finanzkrise erlitt das Land einen dramatischen Konjunktureinbruch - um erschreckende 15 Prozent.

In dieser Zeit habe ich einige Male Estland, Lettland und Litauen besucht. Es hat mich tief beeindruckt, mit welcher Würde, mit welcher Gelassenheit, und zugleich mit welcher Entschlossenheit die Menschen der Wirtschaftskrise begegnet sind. Der litauischen Bevölkerung wurden ungeheuer harte Opfer abverlangt. So wurden

- 12 Prozent der Wirtschaftsleistung in zwei Jahren eingespart;

- die öffentlichen Ausgaben um 20 Prozent heruntergeschraubt;

- und die Renten um 10 Prozent gekürzt.

Als Krisenmanagerin gewählt, hat Präsidentin Grybauskaitė ihre Mitbürger nicht enttäuscht, sondern sie mit ihrem starken Willen, ihrer Entschlossenheit und ihrer Durchsetzungskraft durch die Krise geführt. Ich persönlich habe große Achtung vor Dalia Grybauskaitė – wir teilen beileibe nicht alle politischen Ideen, gerade was die einseitige Haushaltkürzungspolitik betrifft, haben wir sehr unterschiedlich Auffassungen. Das gehört zur Politik dazu und auch zur Ehrlichkeit. Aber vor Präsidentin Grybauskaitė habe ich deshalb große Achtung, weil sie mutig und geradlinig ist. Sie legt den Menschen ihre Position offen dar und erklärt damit, warum sie bestimmte Maßnahmen für notwendig hält. Hätten wir mehr Führungspersönlichkeiten in Europa, die diesen Mut besitzen, dann hätten wir in der EU deutlich weniger Probleme.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ja, die Menschen in Litauen nahmen harte Opfer auf sich.

Trotz der ihnen abverlangten Opfer verloren die Menschen nie den Glauben an Europa. Man muss sich einmal in die Lage der litauischen Bevölkerung versetzen: Verständlicherweise war mit dem EU-Beitritt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft verbunden. Dann kam keine fünf Jahre nach dem EU-Beitritt der Schock: Eine tiefe Wirtschaftskrise.

Trotz dieser Erfahrung hielten die Litauer unerschütterlich an ihrem Glauben an die EU fest. Sie erkoren nicht Brüssel zum Sündenbock. Im Gegenteil, die Litauer gehören noch immer zu den pro-europäischsten Völkern. Mehr als Zweidrittel der Litauer sind begeisterte Europäer. Nein, die Litauer sind wirklich keine Gutwettereuropäer. Die Litauer halten in guten wie in schlechten Zeiten an der Idee Europa fest.

Auch, weil sie wissen, dass die Mittel, die sie aus dem EU-Fond erhalten, dazu beitragen, die litauische Wirtschaft anzukurbeln. Genau wie der polnische Premierminister Donald Tusk, auch ein Karlspreisträger, der sagt, dass sein Land ohne EU-Mittel in eine Rezession gerutscht wäre. Genauso wie Valdis Dombrovskis der ebenfalls mehrfach darauf hingewiesen hat, dass ohne EU-Mittel sein Land zu keinen Investitionen mehr fähig gewesen wäre. Im Baltikum gelang die Wende, weil strikte Haushaltsdisziplin mit aktiver Haushaltspolitik kombiniert wurde. Heute wächst die litauische Wirtschaft wieder um drei Prozent. Dieser Erfolg zeigt einmal mehr: Die Kombination von nachhaltiger Haushaltspolitik mit Wachstum stimulierenden Investitionen ist der bessere Weg, um Europa aus der Krise zu führen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ungeachtet aller Unkenrufe über die Zukunft des Euro, hält Litauen weiter am Ziel fest, dem Euro 2015 beizutreten. Das sollte uns sogenannte „Alteuropäern“, die wir uns manchmal in EU- und Euro-Verdrossenheit gehen lassen, wachrütteln, sollte uns Mahnung und Ansporn sein, nicht die Langzeitperspektive aus den Augen zu verlieren. Denn der Euro – der übrigens den Karlspreis 2002 gewann - hat sein Versprechen gehalten: Der Euro hat den Europäern Wachstum und Preisstabilität gebracht. Eine „Eurokrise“ kann ich daher nicht diagnostizieren – eine Krise des Euro-Managements dagegen schon. Um diese Krise des Euro-Managements zu überwinden, brauchen wir langfristig eine europäische Wirtschaftsregierung. Das mag heute keine populäre Aussage sein.

Aber ich will mich vom Mut von Frau Grybauskaitė inspirieren lassen, die immer und immer wieder öffentlich erklärt, dass ein Euro-Beitritt im Interesse des Landes sei und ganz selbstverständlich vorab schon klar stellt, dass Litauen natürlich seiner europäischen Verantwortung gerecht werden und wenn nötig, natürlich seinen Beitrag am Rettungsschirm übernehmen wird – weil, so Präsidentin Grybauskaitė: „Wir wissen, was Solidarität bedeutet.“

Frau Grybauskaitė ist eine litauische Patriotin, Frau Grybauskaitė ist eine europäische Patriotin. Und sie beweist, dass heute beides nur mehr zusammen denkbar ist.

Mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl wurde - wie deren Gründer Robert Schuman es auf den Tag genau vor 63 Jahren nannte - eine „Solidarität der Tat“ geschaffen. Erlauben Sie mir, drei Beispiele zu nennen, dafür was Solidarität der Tat heute in Europa bedeutet.

Junge Menschen bezahlen mit ihren Lebenschancen für eine Krise, die sie nicht verschuldet haben. In einigen EU-Ländern ist sogar jeder zweite junge Mensch arbeitslos. Auch in Litauen ist die Jugendarbeitslosigkeit immer noch erschreckend hoch. Europa ist der reichste Kontinent der Welt. Es ist eine Schande, dass in unserer Mitte eine verlorene Generation aufzuwachsen droht. Als heute handelnde Politikergeneration ist es deshalb unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die junge Generation in Europa eine Zukunft hat. Diesen jungen Menschen mit einer Europäischen Jugendgarantie wieder Perspektiven zu eröffnen diese Generation mindestens so wie Banken als systemrelevant zu betrachten - das bedeutet heute Solidarität der Tat.

Die europäische Forschungspolitik, die EU-Strukturfonds, das Erasmus-Austausch-Programm – das sind Erfolgsprojekt und bringen einen echten Mehrwert für die Menschen. Weil sie auf dem Grundsatz aufbauen: Wenn wir uns gegenseitig stärken, dann werden wir alle gemeinsam stärker. EU-Fonds mit ausreichenden Mitteln auszustatten – das bedeutet heute Solidarität der Tat.

Jedes Jahr gehen in der EU eine Billion Euro durch Steuerbetrug und Steuerhinterziehung verloren, das sind 2000 Euro pro EU-Bürger - das ist ein enormer Schaden für die Gemeinschaft. Denn mit diesem Geld könnten Schuldenberge abgetragen, Jugendgarantien aufgelegt und Investitionen in Wachstum getätigt werden. Deshalb haben die europäischen Regierungschefs die Pflicht, sich auf dem EU-Gipfel am 22. Mai in Brüssel, auf wirksame Maßnahmen gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung zu einigen – denn das bedeutet heute Solidarität der Tat.

Solidarität innerhalb der Staaten und zwischen den Völkern - das ist die Idee Europa. Staaten und Völker, die über Grenzen hinweg, über kulturell, wirtschaftlich sprachlich Trennendes hinweg sich gemeinsame Institutionen geben, weil sie verstanden haben, dass sie gemeinsam stärker sind als alleine – das ist die Idee Europa. Diese Idee ist unbestritten – aber leider verbinden immer weniger Menschen diese Idee mit der Europäischen Union, wie sie heute aussieht. Die Idee Europa und die EU wieder zusammen zuführen, das ist die Herausforderung vor der handelnde Politikerinnen und Politiker in den kommenden Jahren stehen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ja, Litauen hat europäische Solidarität erfahren. Litauen bringt aber auch seine Stärken zum Wohle Aller in die europäische Gemeinschaft ein; Stärken, die gerade während der am 1. Juli beginnenden litauischen Rats- Präsidentschaft der EU als Ganzes zu Gute kommen werden.

Da sind zunächst die geostrategische Lage Litauens und die gewachsenen Verbindung zu den EU-Anrainerstaaten zu nennen. Aufgrund seiner geographischen Lage hat Litauen über Jahrhunderte unermessliches Leid erfahren. Zwischen den Großmächten Deutschland und Russland eingezwängt, waren Unabhängigkeit und Freiheit die glückliche Ausnahme, Unterdrückung und Blutvergießen die traurige Regel.

Heute hat sich die geografische Lage Litauens zu seinem Vorteil gewandelt. Heute ist Litauen im Ostseeraum und im Rahmen der östlichen Partnerschaft ein Schlüsselland für die EU.

Im Kalten Krieg war die Ostsee geteilt, bewaffnet, gefangen.

Heute ist die Ostsee wieder zu dem geworden, was sie über Jahrhunderte war: Ein europäisches Binnenmeer.

- Ein Binnenmeer, das Menschen und Kulturen verbindet.

- Ein Binnenmeer, in dem historische Kooperationsmuster und alte Handelsbeziehungen wieder aufleben.

- Ein Binnenmeer, das sich zu einem enorm dynamischen und innovativen Raum entwickelt – wirtschaftlich und kulturell.

Die Ostsee ist ein europäisches Erfolgsmodell.

Besonders die im Europäischen Parlament geborene Ostsee-Strategie birgt ein großes Potenzial, übrigens auch für Deutschland. Gespannt werden wir deshalb Ihr Projekt, Frau Grybauskaitė, verfolgen, die politischen Führer aller Anrainerstaaten um einen Tisch zu versammeln, um die Weichen für die Zukunft dieser Region in die richtige Richtung zu stellen.

Die östliche Partnerschaft wird eine Priorität der litauischen Ratspräsidentschaft sein. Litauen wird auch der Gastgeber des EU-Gipfels über die Östliche Partnerschaft im November dieses Jahres in Vilnius sein.

Präsidentin Grybauskaitė hat sich immer als Brückenbauerin zu den östlichen Partnerländern verstanden. Auch hier geht sie nicht den einfachen Weg, sondern folgt ihrer Überzeugung. Ein auf Konsens mit Russland ausgerichteter Kurs ist wahrlich kein Popularitätssteigerungsprogramm für eine litauische Politikerin. Doch:

- Präsidentin Grybauskaitė wirbt für ihre Überzeugung, dass eine auf Ausgleich zielende Russlandpolitik im Interesse Litauens und Europas ist.

- Präsidentin Grybauskaitė bemüht sich hartnäckig, den Dialog mit Weißrussland aufrecht zu erhalten, was wahrlich nicht einfach ist und nicht den Blick darauf verstellen darf, dass der grausame Diktator Lukaschenko eine Schande für ganz Europa ist.

- Präsidentin Grybauskaitė gelang es auch durch ihre Beharrlichkeit dafür zu sorgen, dass ihrem Wort als eine der ganz wenigen EU-Politikerinnen, in der Ukraine Gehör geschenkt wird.

Ich zähle, wie viele andere auch, darauf, dass Sie, Frau Grybauskaitė, weiter engagiert diesen Dialog mit unseren Nachbarländern im Interesse der EU fortsetzen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ein litauischer Kollege hat unlängst zu mir gesagt, dass es ihm noch immer wie ein Wunder vorkommt, dass Litauen nach Jahrhunderten leidvoller Geschichte, nach Jahrhunderten der Besetzung und Unterdrückung heute ein freies und demokratisches Land und Teil der europäischen Familie ist. Ja, dass es den Litauern heute besser geht, als jemals zuvor in ihrer langen Geschichte.

Wer hätte sich in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als Litauen unendlich unter der brutalen Besatzung durch Nazi-Deutschland litt, das fast die gesamte jüdische Bevölkerung dieses Landes ermordete, wer hätte sich damals vorstellen können, dass Litauen heute zusammen mit Deutschland Teil eines friedlichen und geeinten Europas sein könnte?

Wer hätte sich mitten im Kalten Krieg vorstellen können, dass zum 50. Jahrestag des Hitler-Stalin-Paktes am 23. August 1989 zwei Millionen Menschen von der estnischen Hauptstadt Tallinn über die lettische Hauptstadt Riga bis in die litauische Kapitale Vilnius Hand in Hand die „baltische Kette“ bilden würden – eine über 600 Kilometer lange Menschenkette quer durch das Baltikum? Wer hätte sich vorstellen können, dass durch die sogenannte „singende Revolution“ und nach einer Volksabstimmung die Selbstbestimmung siegen und Litauen 1991 die Unabhängigkeit erreichen würde?

Heute mag es gerade der jüngeren Generation selbstverständlich erscheinen, dass Litauen als freies und demokratisches Land Mitglied der Europäischen Union ist. Doch für unzählige Generationen vor ihnen war das ein Traum. Ein Traum, der heute wahr geworden ist. Ein Traum, der heute weiter geträumt wird. Am Dienstag haben wir den Jugendkarlspreis verliehen, die drei Gewinner sitzen heute hier auf dem Podium. Wer den Enthusiasmus und den unerschütterlichen Glauben an eine gute Zukunft dieser jungen Menschen aus 27 europäischen Ländern erleben durfte, dem braucht um Europa nicht bange zu sein. Der Optimismus dieser Jugend ist zugleich eine Verpflichtung für meine Generation, so pragmatisch und konstruktiv zu handeln wie Präsidentin Grybauskaitė.

Liebe Dalia, ich gratuliere Dir von ganzem Herzen zu dieser verdienten Auszeichnung.